Altbäume als Lebensraum

Foto: C. Voormann
Foto: C. Voormann

In alten Bäumen und in Totholz der Urwälder hat sich im Laufe der Evolution eine große Artengemeinschaft entwickelt. So sind ein Viertel (ca. 1378 Arten) aller in Mitteleuropa nach­gewie­se­nen Käfer­arten an diesen Lebensraum angepasst (Schmidl J. 2012: Die xylobionte Käferfauna der Alteichen und Altbuchen des „Bernrieder Vorsprung“). Die „Biodiversität“ steigt mit dem Alter des Baumes an, da immer mehr unterschiedlichste Strukturen entstehen. Tierarten, aber auch 600 verschiedene Großpilze sowie zahlreiche Flechten und Moose besiedeln innerhalb alter Bäume unterschiedlichste Kleinstlebensräume, die sich durch unterschiedliche Feuchtigkeit, Besonnung, Baumart, Holzzersetzungsgrad und Kleinklima des Baumes ergeben.

Die Holzzersetzung durch Pilze schafft die Voraussetzung, dass sich Holzkäferlarven leichter in das Holz einbohren können. 

Diese wiederum bereiten das Substrat für eine Besiedlung durch weite­re Tiergruppen (z.B. Haut­flügler!) vor und tragen durch ihre hohe Spezialisie­rung wesent­lich zu den sehr komplexen ökolo­gi­schen Bezie­hungs­gefügen totholz­reicher Baum­bestände bei.

Auch Spechte nutzen solche Schwachstellen und zimmern jährlich neue Höhlen, die Ausgangspunkt für Großhöhlen werden können und von einer komplexen Lebensgemeinschaft aus Mikroorganismen, Pilzen, Insekten, Vögeln (Meisen, Waldkauz, Trauerschnäpper) und Säugetieren (Fledermäuse, Baummarder und Siebenschläfer) besiedelt werden.

Für die Bewohner absterbender Altbäume ist eine Vernetzung mit in der Nähe stehenden Altbäume wichtig, da einige Arten (wie z.B. der Eremit) nur geringe Distanzen zurücklegen können. In den Wirtschaftswäldern fallen ältere Bäume allerdings meist dem Nutzungsdruck zum Opfer. Daher sind z.B. die Parks in Bernried ein Refugium, in welchen Bäume ohne Nutzungsdruck altern und daran gebundene bedrohte Arten überleben können.

 

 

 

Foto: Zunderschwamm (Karasch)
Foto: Zunderschwamm (Karasch)

Biotopholz entsteht vor allem in der Altersphase der Bäume. Zunächst wird die Krone lichter und kleiner, einzelne Partien des Baumes sterben ab und werden zunehmend von Pilzen und holzbewohnenden Insekten abgebaut. In der Altersphase entsteht ein neues Gleichgewicht zwischen Blattmasse und Stamm und Wurzel. Vor allem Eichen können so längere Zeit weiter leben und entwickeln dabei einen heterogenen Lebensraum mit morschen Totästen, verpilzten und zerklüfteten Holzbereichen mit Gangsystemen und – ökologisch höchst wertvollen – Höhlen, gefüllt mit Holzmulm, organischen Reststoffen, Holzameisen- und Hornissennestern usw.

Bei natürlicher Entwicklung entstehen oft stärkere Höhlungen, bis der instabile Stamm unter der Last der Krone zusammen bricht und stirbt. An einem stehenden toten Stamm (Torso, Hochstubbe) entstehen andere Lebensgemeinschaften als in einem am Boden liegenden Stamm.

Den enormen Artenreichtum alter Bäume bewies eine Untersuchung der Käferfauna Bernrieds: In 15 Käferfallen wurden 170 Arten, davon 60 Rote Liste-Arten (darunter viele vom Aussterben bedrohte und stark gefährdete Arten der RL1 und RL2 ), 6 Urwaldreliktarten und eine 1 FFH-Art (Eremit) nachgewiesen (Schmidl 2012).

 

Prozessschutz

Alte Bäume (vor allem die besonders bruchgefährdeten Buchen) innerhalb geschlossener Gehölzbestände erhalten nur in Ausnahmefällen lebensverlängernde Erhaltungsmaßnahmen. Dem natürlichen Verfallsprozess wird in der Regel Vorrang gegeben. Das liegende Totholz entwickelt sich bis zur endgültigen Verrottung je nach Zersetzungsgrad zu einem Lebensraum für besondere spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. 

 

 
Foto: K.O. Kullmann
Foto: K.O. Kullmann

Foto: Silberröhrling (Karasch)
Foto: Silberröhrling (Karasch)

Baumwurzeln

Die überwiegende Biomasse der Bäume liegt im unterirdischen Wurzelwerk. Insbesondere Bodenpilze wie der Silberröhrling, die in Symbiose mit Bäumen leben ("Mykorrhiza"), brauchen einen von Bodenschädigungen und Dünger möglichst unbeeinträchtigten Wurzelraum. In gedüngten Wiesen ist das Vorkommen solcher Bodenpilze sehr gefährdet.

Foto: J. Schmidl
Foto: J. Schmidl

Der Eremit (links Larve, rechts Käfer) ist im Projektgebiet die seltenste sowie naturschutzrechtlich bedeutendste Art, die an Höhlen alter und toter Bäume (v.a. Eichen) gebunden ist. Die negative Bestands-entwicklung des einst überall in Deutschland häufigen Käfers ist v.a. auf die Beseitigung urwaldartiger Baumbestände zurückzuführen. Stark gefährdete Restpopulationen konnten sich stellenweise in Parks und alten Alleen halten.

Schutzstatus: Berner Konvention; Anhang II der FFH-Richtlinie; nach Bundesnatur-schutzgesetz streng geschützt.

 

 

Foto: J. Schmidl
Foto: J. Schmidl